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ExpertenNetzwerk  Chemikalien-Anlagen-Arbeit  Sicherheit

Stoffe  -  Technik  -  Organisation

Prof. Ursula Stephan  -  Prof. Ulrich Hauptmanns  -  Dr. Jürgen Herrmann


Wissen / Informationen

Arbeit (-sschutz) und Menschen


Burkhardt Modell eine kurze Einführung

In Folge des Loss Control (LC) Konzeptes (siehe Bird und Germain /1/) wurden weitere Ideen entwickelt, die sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzten, mit dem Ziel, die Unfallzahlen generell zu senken.

Grundgedanke war dabei der Ansatz von Bird und Germain, die davon ausgingen, dass jedem Unfall ein Reihe unsicherer Handlungen und Zustände vorausgehen (dargestellt in der Unfallpyramide).

Besonders wichtig und erfolgreich war dabei die Entwicklung und Einführung verschiedener Begehungskonzepte, die u.a. mit dem „STOP“ Programm von Dupont und ähnlichen Programmen von DOW, Shell und verschiedenen anderen Organisationen verbunden werden können.

Grundgedanke, dieser Begehungskonzepte ist, dass man die Tätigkeiten oder Handlungen und die technischen Einrichtungen oder Zustände in einer Organisation einer fortlaufenden, regelmäßigen und systematischen Beobachtung unterwirft, um so unsichere Handlungen und Zustände schnellstmöglich zu entdecken und diese umgehend abzustellen.

Im Sinne von Loss Control und Unfallpyramide „bekämpft“ man so die Vorläufer von ernsteren Ereignissen und letztendlich die Vorläufer ernsterer Ereignisse.

Heute kann man davon ausgehen, dass praktisch alle Unternehmen, die sehr niedrige, oder auch unterdurchschnittliche Unfallzahlen aufweisen, ein Begehungskonzept nach diesen Vorbildern haben und entsprechende Arbeitsschutzprogramme in ihre Preventionsarbeit aufgenommen haben.

Die psychologischen Rahmenbedingungen und Abläufe, die dabei eine wesentliche Rolle spielen, wurden von Burkhardt in den 1990er Jahren untersucht (siehe z.B. /3/).

 Burkhardt Modell - Begehungen / Sicherheitsrundgänge


Mitglieder von Experten-Netzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheit haben sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Loss Control und Programmen zur Reduzierung von Unfallzahlen, u.a. auch mit Begehungskonzepten, beschäftigt und solche Programme auch verantwortet.

Die möglichen Erfolge solcher Programme sind überzeugend und, wenn richtig initiiert und ausdauernd aufrechterhalten, sind die Erfolge von Dauer und können auch zu nachhaltigen Verbesserungen auf anderen Gebieten, z. B. Anlagenverfügbarkeiten, Instandhaltung usw., Führen.


Dennoch sei an diesen Stelle eine Warnung ausgesprochen:
Auch die deutliche Reduzierung von Unfallzahlen beim Arbeitsschutz heißt nicht notwendigerweise, dass sich auch andere Punkte verbessern, z. B. „Anlagensicherheit“.

Vielmehr haben schwere Industrieunfälle in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass der alleinige Fokus auf Arbeitsschutz und Unfallzahlen dazu führen kann, dass andere (größere) Risiken aus dem Auge verloren gehen und damit vernachlässigt werden. So geschehen bei der schweren Explosion in der Raffinerie in Texas City, USA, in 2005 (siehe z. B. /4/, /5/ und /6/).


Das Burkhardt Modell (Good and Bad Behaviour)

Burkhardt hat beschrieben, wie positive und negative Verhaltensweisen (good and bad behaviour) zu sicheren oder unsicheren Rahmenbedingungen für die Sicherheit führen können. Dabei hat er auch gezeigt, dass es möglich ist darauf Einfluss zu nehmen und, im Sinne der Sicherheit, positives Verhalten gefördert und negatives Verhalten verhindert (oder zumindest eingeschränkt) werden kann.

Eine Schwierigkeit ist dabei der tatsächliche Ausgangspunkt eines solchen Verhaltens. So kann es nämlich sein, dass positives Verhalten zwar ein positives Ergebnis, aber auch einen negatives Ergebnis haben kann, und umgekehrt. Ein negatives Verhalten sowohl ein negatives als auch ein positives Ergebnis.

Ein einfaches (und einleuchtendes) Beispiel ist das Fahren (mit dem Auto).
Hier kann ein gefahrenangepasstes oder regelkonformes Fahren sowohl dazu führen, dass man sicher und und rechtzeitig an seinem Ziel ankommt (positiver Ausgang), es kann aber auch dazu führen, dass man zu spät ankommt oder trotz des sicheren Fahren einen Unfall hat (negativer Ausgang).
Umgekehrt kann ein zu schnelles, Gefahren ignorierendes Fahren dazu führen ,dass man schneller und ohne Strafe am Ziel ankommt (positiver Ausgang), es kann aber auch dazu führen, dass man eine Strafe (für zu schnelles Fahren) bekommt, oder einen Unfall hat (negativer Ausgang).

Burkhardt hat dies schematisch folgendermaßen dargestellt:
























Nach Burkhardt geht es in der Sicherheitsarbeit deshalb nicht darum, das aktuelle Ergebniss/die Folgen zu bewerten (im Sinne positives Ergebnis = Lob, negatives Ergebnis = Tadel), sondern es geht darum,
im Sinne einer sicherheitsgerichteten Arbeits- und Vorgehensweise, das positive Verhalten zu fördern (positives Verhalten = Lob) und negatives Verhalten anzusprechen und zu verhindern
(negatives Verhalten = Tadel), und das unabhängig vom Ergebnis!
Es muss dafür gesorgt werden, dass positives Verhalten gelobt und anerkannt wird, negatives Verhalten hingegen unterbunden und ggf. auch disziplinarisch bestraft wird.

Dies ist im Wesentlichen dann die Aufgabe des Managements, das hier seine Kontrollaufgaben erfüllen und auch seiner Vorbildfunktion nachkommen muss.

Gelingt dies, so kann die praktische Anwendung des Burkhardt-Modelles zu positiven und im Sinne mehr sicherheitsgerichtetes Handelns zu Verhaltensänderungen führen. Begehungskonzepte können so als ein wesentliches Element zu einer deutliche Reduzierung von Unfallzahlen führen (siehe z.B. bei Loss Control Erfolge im Arbeitsschutz, oder auch bei Dupont, Erfolge der STOP Programme).


Literaturhinweise (nur Beispiele)
1.
F.E. Bird, G.L. Germain, F.E. Bird, Jr.: Practical Loss Control Leadership, International Loss Control Institute, Atlanta, GA1986
2.
J. Reason, Human Error, Cambridge University Press, Cambridge 1990
3.
F. Burkhardt, I. Colin, Zur Sicherheit führen, Universum Verlagsanstalt, Wiesbaden 1997.
4.
U.S. Chemical Safety and Hazard Investigation Board (CSB), Report No. 2005-04-I-TX (March 2005), Refinery Explosion and Fire, www.csb.gov/bp-america-refinery-explosion/ zuletzt besucht 03.06.2014
5.
KAS Leitfaden KAS 7, Empfehlungen der KAS für eine Weiterentwicklung der Sicherheitskultur -Lehren nach Texas City 2005, 2007
www.kas-bmu.de/publikationen/kas_pub.htm
6.
J. Herrmann, A. Ruddat, C. Schwiederowski, Management of Safety in the Petrochemical and Oil Industry, in:  U. Hauptmanns (Ed.):  Plant and Process Safety 8,  Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 8th ed., Wiley-VCH, Weinheim 2012: DOI: 10.1002/14356007.q20_q07
www.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14356007.q20_q07/abstract


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Ein Begehungskonzept - Sicherheitsrundgänge (Safety Walks and Talks)

Im folgenden wird kurz und in Auszügen ein Begehungskonzept im Sinne des Burkhardt Modells beschrieben, das einer der Mitglieder von Experten-Netzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheit vor einigen Jahren entwickelt und angewendet hat. Das entsprechende Programm heisst „5B Programm für Sicherheitsrundgänge“ und wird von Führungskräften (einschließlich Top-Management) und Mitarbeitern durchgeführt. Es umfaßt 5 Phasen:

  1. Beobachten (Handlungen und Zustände vor Ortbeobachten)
  2. Bestätigen (Die Beobachtungen von den Menschen vor Ort bestätigen lassen)
  3. Besprechen (Die Beobachtungen mit den Menschen vor Ort diskutieren und bewerten, ggf. Korrekturen der Bewertungen vornehmen)
  4. Beseitigen (Die diskutierten negativen Handlungen und Zustände abstellen, Positives loben)
  5. Berichten (Welche Handlungen und Zustände -positive und negative- wurden vor Ort angetroffen, welche Korrekturen wurden vereinbart?)

Hilfreich ist bei solchen Rundgängen immer ein Handlungsrahmen, der bei den Beobachtungen eingehalten wird. Das bedeutet, die Beobachter sind in solchen Rundgängen geschult, insbesondere wie sie Menschen vor Ort positiv ansprechen (auch bei negativer Kritik!) und haben i.d.R. Eine Dokumentationskarte, auf der die 5B-Punkte notiert werden. Ein Beispiel dafür ist folgende Variante der 5B Karte: